Die Corona-Pandemie hält die Welt seit nunmehr zwei Jahren in Atem. Die Unsicherheiten, Beschränkungen und Sorgen gehen an niemandem spurlos vorbei. Auf Menschen mit einer Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-­Störungen kann der Stress jedoch noch einmal andere Auswirkungen haben. Eine intensive Betreuung sowie ein effektives Behandlungsmanagement sind dann unerlässlich.

Gut zwei Jahre ist es her, dass das Gesundheitsamt in Wuhan den Ausbruch einer schweren Lungenentzündung mit akutem Lungenversagen meldete. Die Infektionszahlen stiegen schnell. Der Verursacher war schnell gefunden und identifiziert: SARS-CoV-2, ein neues Corona-Virus. Das Virus verbreitete sich innerhalb kürzester Zeit über die ganze Welt. Zahlen der WHO von November 2021 belegen, dass weltweit bisher über 250 Mio. Menschen an Corona erkrankt waren – inzwischen sieht die Situation schon wieder anders aus. Die neue Mutation beschert uns einen noch nie verzeichneten Anstieg. Am 12.01.2022 lag die Zahl der Infizierten bereits bei über 312 Mio. [1]. Glücklicherweise steigt die Zahl der Corona-bedingten Todesfälle nicht im gleichen Masse an. Ende November waren 5,098 Mio. Menschen verstorben, Mitte Januar lag die Zahl bei 5,501 Mio.

Die Konfrontation mit der Erkrankung und dem möglichen Tod sowie die Angst vor Ansteckung und möglicher Quarantäne gehen an den Menschen nicht spurlos vorbei. Sie führen zu sozialer Isolation, Konflikten innerhalb der Familie, Arbeitsüberlastung und/oder finanziellen Verlusten. Hierbei handelt es sich um gefährlichen Stress, aus dem sich u.a. Depressionen, bipolare Störungen oder eine posttraumatische Belastungsstörung entwickeln können [2]. Denn die schwere Multiorganerkrankung geht neben kardio-Respiratorischen Manifestationen auch mit einer Beeinträchtigung des zentralen Nervensystems einher. Die systemische Entzündung sowie die neuroinflammatorischen Veränderungen ziehen einen massiven Anstieg der proinflammatorischen Moleküle im Gehirn, eine neurogliale Reaktivität, eine veränderte neurochemische Landschaft und einen pathologischen Umbau der neuronalen Netzwerke nach sich.

Höheres Mortalitäts- und Hospitalisierungsrisiko

Auf dieser Grundlage konnten Wissenschaftler einen bidirektionalen Zusammenhang zwischen Corona und psychischen Erkrankungen detektieren. Das Mortalitätsrisiko ist bei Menschen mit psychischen Erkrankungen verdoppelt und auch die Hospitalisierungsrate liegt deutlich ­höher (27% vs. 18%) [3]. Häufig betroffen sind dabei auch Patienten mit einer Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Störung (ADHS). Durch den Stress treten typische Symptome wie Impulsivität und Unaufmerksamkeit noch deutlich zum Vorschein. Ergebnisse einer in Deutschland durchgeführten Längsschnittstudie an Kindern und Jugendlichen zeigen, dass sich der Anteil von Betroffenen mit psychischen Auffälligkeiten wie Hyperaktivität während der Pandemie in etwas verdoppelt hat [4]. Auch in China wurde bei Schulkindern in häuslicher Quarantäne eine vermehrte Hyperaktivität registriert [5]. Doch Menschen mit ADHS sind darüber hinaus auch in ihrer Fähigkeit eingeschränkt, Präventionsmassnahmen einzuhalten. Dadurch erhöht sich das Infektionsrisiko – vor allem bei nicht behandelten Patienten [6].

Untersucht wurden 14’022 Patienten, die sich mindestens einem COVID-19 Test unterzogen haben. Es zeigte sich, dass sich insgesamt 10,1% der Probanden infiziert hatten. Auffallend war, dass alle Betroffenen höhere ADHS-Raten aufwiesen als COVID-19-negative Patienten. Das Risiko einer Corona-Erkrankung war bei unbehandelten ADHS-Betroffenen im Vergleich zu Patienten ohne ADHS höher. Bei behandelten ADHS-Patienten konnte hingegen kein erhöhtes Risiko festgestellt werden [6]. Das legt den Schluss nahe, dass sowohl Kinder als auch Erwachsene von einer wirksamen und gut verträglichen Pharmakotherapie profitieren. Als Goldstandard gilt hierfür Methylphenidat, das aufgrund einer breiten Datenlage eine gesicherte Evidenz nachweisen kann.

Kongress: dgppn 2021

Literatur:

  1. https://covid19.who.int (letzter Aufruf am 13.01.2022)
  2. Steardo Jr. L, Steardo L, Verkhratsky A: Psychiatric face of COVID-19. Translational Psychiatry 2020; 10: 261.
  3. Wang QQ, Xu R, Volkow ND: Increased risk of COVID-19 infection and mortality in peaople with mental disorders: analysis from electromic health records in the United States. World Psychiatry 2021; 20: 124–130.
  4. Ravens-Sieberer U, et al.: Impact oft he COVID-19 pandemic on qality of life and mental health in children and adolescents in Germany. Bundesgesundheitsbl 2021. https://doi.org/10.1007/s00103-021-03291-3
  5. Jiao WY, Wang LN, Liu J, et al.: Behavioral and Emotional Disorders in Children during the COVID-19 Epidemic. J Pediatr. 2020; 221: 264–266.
  6. Merzon E, Manor I, Rotem A, et al.: ADHD as a risk factor for infection with Covid-19. Journal of Attention Disorders 2020;13: 1783–1790.

InFo NEUROLOGIE & PSYCHIATRIE 2022; 20(1): 26–27

Leoni Burggraf

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