Hygiene in der Praxis – worüber man in «normalen» Zeiten gar nicht viele Gedanken verschwendet, wird in Zeiten der Pandemie zu einem Thema, das immer grössere Bedeutung gewinnt. Für Ärzte ist die konsequente Einhaltung der Hygienemassnahmen wichtig, um sich selbst, Mitarbeiter und natürlich auch Patienten zu schützen und den Praxisbetrieb letztlich aufrechterhalten zu können.
Unter Hygiene – so die offizielle Definition – versteht man die Lehre von der Gesunderhaltung des Menschen durch Reinhaltung des Körpers und der Kleidung sowie der Arbeitsumgebung. Dazu zählen insbesondere Massnahmen, die die ungewollte Vermehrung von Mikroorganismen (Bakterien, Viren, Pilze, Parasiten) und so die Ausbreitung von Krankheiten verhindern. Praxishygienebezeichnet in diesem Zusammenhang ein umfassendes Massnahmenpaket, das die Abläufe in der Praxis unter den Gesichtspunkten der Infektübertragung regelt und das von allen Mitgliedern des Praxisteams lückenlos eingehalten werden muss.
Personalhygiene
Die Spital- und Praxishygiene zielt darauf ab, Übertragungswege zu unterbrechen. Die vier klassischen Übertragungswege sind:
- Tröpfcheninfektion (Bsp. Influenza, SARS-CoV-2, resp. Viren, Norovirus)
- Kontaktinfektion bzw. indirekte Kontaktinfektion (Clostridium difficile, MRSA, multiresistente gramneg. Bakterien)
- Aerogene Infektionen (Tuberkulose, Masern, Varizellen, SARS-CoV-2)
- Übertragung über Blut/Gewebe/Organe (HIV, Hepatitis B/C, Malaria)
Wenn es darum geht, diese zu unterbrechen, reden wir in erster Linie über die Personalhygiene. Sie dient zunächst der Aufrechterhaltung der Gesundheit des Personals und der Verhinderung von Erregerübertragungen. Wichtigste Bestandteile – die sog. Standardhygienemassnahmen, die im Umgang mit Patienten immer eingesetzt werden, – sind eine hygienische Händedesinfektion, keine private Kleidung und Schmuck im direkten Patientenkontakt, persönliche Schutzmassnahmen (Handschuhe, chirurgische Maske/Schutzbrille, Überschürze) sowie die bekannte Hustenregel (sowohl vonseiten des Personals als auch der Patienten).
Diese Standardhygienemassnahmen werden immer angewandt, unabhängig davon, wer der Patient ist und was man von ihm weiss. Die Massnahmen basieren auf der grundsätzlichen Annahme, dass jeder Patient zunächst einmal infektiös ist. Dementsprechend sind die Ziele die Verhütung von durch Blut übertragenen Krankheiten, der Schutz vor Exposition mit Körperflüssigkeiten und die Minimierung/Verhinderung der Verbreitung von (unbekannten oder multiresistenten) Keimen wie MRGN, MRSA, VRE, Candida auris oder respiratorischen Viren. «Wenn man die Standardmassnahmen konsequent einsetzt und einhält, ist man qualitätsmässig fast schon bei einer Isolation angelangt», erklärte Dr. med. Nina Durisch, Leitende Ärztin Innere Medizin und Infektiologie am Spital Uster [1].
Das wichtigste Tool bleibt dabei nach wie vor die Händehygiene. Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt 5 Momente der Händehygiene:
- VOR Patientenkontakt
- VOR aseptischen Tätigkeiten
- NACH Kontakt mit potenziell infektiösem Material
- NACH Patientenkontakt
- NACH Kontakt mit der direkten Patientenumgebung
Voraussetzung für eine gute Händehygiene ist stets, dass die Hände auch desinfizierbar sein sollten, sprich: Sie dürfen nicht spröde oder rissig sein, das macht eine Desinfektion schwierig. Aus dem gleichen Grund sollten auch keine Ringe oder Uhren etc. getragen werden.
Handschuhe, Brille und Schürze als «Werkzeuge»
Zum hygienischen Erscheinungsbild des Arztes gehört auch, bei Dienstantritt die Privatkleidung ab- und die Arbeitskleidung anzulegen. Die Privatkleidung wird getrennt von der Arbeitskleidung aufbewahrt und bei Kontamination ist die Arbeitskleidung direkt zu wechseln. Das Waschen sollte bei mindestens 60 °C geschehen.
Handschuhe sollen in erster Linie das medizinische Personal schützen, nicht die Patienten, erinnerte Dr. Durisch. Eine Indikation zu Handschuhen besteht dementsprechend bei (möglicher) Exposition von Blut oder Körperflüssigkeiten und beim Umgang mit potenziell hautschädigenden Substanzen (z.B. Flächendesinfektionsmittel). Ansonsten braucht es nicht zwingend Handschuhe, sie sind bei den Regeln zur Kontaktisolation in der Schweiz daher schon seit Längerem aussen vor. Wenn man sie benutzt, ist es wichtig, vorher und auch danach die Hände zu desinfizieren.
Der Mund-Nasen-Schutz hat bei den Standardmassnahmen seinen Stellenwert immer dann, wenn etwas mit Spritzgefahr gemacht wird, z.B. Spülen von Wunden. Zudem besteht eine Indikation, wenn der Patient hustet bzw. erkältet ist. Darüber hinaus gibt es die invasiven Massnahmen, etwa Lumbalpunktion, um zu verhindern, dass das Personal etwas in die Wunde überträgt. Zurzeit ist der Mund-Nasen-Schutz als Bestandteil der Tröpfchenisolation natürlich Standardausrüstung in der Pandemie.
Die Schutzbrille hat ebenfalls ihren Stellenwert bei den Standardmassnahmen, wenngleich sie eher selten eingesetzt wird. «Wir sehen das auch bei uns im Krankenhaus, dass die Akzeptanz nicht sehr gross ist», konstatierte die Expertin. Sie vermutet, dass die Brille häufig als störend empfunden wird und anläuft, aber auch sie ist wichtig bei möglicher Exposition von Blut/Körperflüssigkeiten der Augen, bei Spritzgefahr im Umgang mit potenziell schleimhautschädigenden Substanzen sowie im Rahmen der Tröpfchenisolation und bei SARS-CoV-2. «Ich finde die Schutzbrille schon allein deswegen sinnvoll, weil man sich automatisch viel weniger in die Augen und das Gesicht greift, wenn man sie trägt.»
Eine Überschürze ist indiziert, wenn grössere Kontaminationen bevorstehen, etwa wenn Stuhl im Spiel ist oder ein verschmutztes Bett frisch bezogen werden muss, auch beim Spülen von Wunden. Auch bei Kontaktisolation (bei Patientenkontakt) und im Rahmen der SARS-CoV-2-Pandemie ist sie Teil der Schutzmassnahmen. «Psychologisch sehr wichtig, hat man das Gefühl, aber rein vom Übertragungsmechanismus doch eher von untergeordneter Bedeutung.» Hände und MNS spielten hier eine sehr viel wichtigere Rolle, so Dr. Durisch. Die FFP2-Maske gehört nicht zu den Standardmassnahmen. Sie schützt sowohl vor Tröpfchen als auch vor Aerosolen. Der richtige Sitz sei wichtig sowie das korrekte An- und Absetzen. Bei Aerosol-generierenden Prozeduren (z.B. Intubation, nicht-invasive Beatmung, Bronchoskopie, Tracheotomie-Anlage) sei die Maske sicherlich sinnvoll bzw. nötig.
Zu guter Letzt gehört auch die Prävention von blutübertragenden Krankheiten zu den Standardmassnahmen. Das Personal sollte geschützt sein durch Impfungen, das sei der Fachärztin zufolge ein wenig den Spitälern und Praxisinhabern überlassen, wie streng man diesbzgl. ist und wie man es überprüft. Zu den Impfungen gehören Hepatitis B, Influenza (jährlich), Pertussis, Masern, Mumps, Röteln, Varizellen. In Zukunft werden sicher auch die COVID-Impfungen einen Stellenwert bekommen.
Umgebungshygiene
Bei der Umgebungshygiene reden wir einerseits von Reinigung, also der mechanischen Entfernung von Mikroorganismen, bei der keine Abtötung erforderlich ist. Dann von derDesinfektion, mit der die Anzahl der krankmachenden Keime reduziert wird, sodass vom behandelten Gegenstand keine Infektionsgefahr mehr ausgeht. Dabei zu unterscheiden sind die chemische Desinfektion (also das Einlegen bzw. die Wischdesinfektion) und die thermische Desinfektion mittels Topf- bzw. Instrumentenwaschmaschine. Schliesslich noch die Sterilisation:das Abtöten aller Mikroorganismen und die Inaktivierung aller Viren inkl. Sporen.
Nicht immer einfach zu beantworten ist die Frage nach dem geeigneten Desinfektionsmittel. Zu beachten sind stets die Informationen der Hersteller (Übersicht 1). Der generelle Rat der Expertin: Weniger ist mehr! Man sollte also versuchen, nicht allzu viele verschiedene Mittel in der Praxis zu haben.
Bezüglich Flächenreinigung und -desinfektion sollte sich das ärztliche Personal immer selbst einige Fragen stellen. Warum: Es geht darum, Infektionsherde, die von Flächen ausgehen, zu reduzieren. Wie: Welches Material wird benötigt und wie wird die Desinfektion durchgeführt? Ist Schutzausrüstung nötig und muss z.B. gelüftet werden? Was: Böden, Flächen, med. Geräte, Sanitäreinrichtungen? Wann und womit: Welche Mittel sollten in welchen Intervallen zum Einsatz kommen?
Hinsichtlich des Einsatzes von Sprühdesinfektionen hatte Dr. Durisch abschliessend eine klare Ansage parat: Wo gewischt werden kann, sollte nicht gesprüht werden! Sie verwies auf die diesbezgl. Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts: Eine Sprühdesinfektion gefährdet den Durchführenden und erreicht nur eine unzuverlässige Wirkung. Sie sollte daher ausschliesslich auf solche Bereiche beschränkt werden, die durch eine Wischdesinfektion nicht erreichbar sind.
Take-Home-Messages
- Smartes Hygienekonzept (interdisziplinär) für Praxis entwickeln
- Personal mit einbeziehen
- Regelmässig überprüfen und schulen
- Produkte straffen/überprüfen
- Einhalten, respektieren und vorleben von Hygienerichtlinien für Sicherheit von Patienten und Personal
Quelle:
- Workshop «Hygienefragen in der Hausarztpraxis»; 60. Ärztekongress Davos – Onlineveranstaltung, 11. Februar 2021.
InFo PNEUMOLOGIE & ALLERGOLOGIE 2021; 3(2): 34–35
Jens Dehn
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